KI in Lehre und Prüfungen
Auswirkungen auf die Lehre
Aus Sicht der HTWK Leipzig ist die Fähigkeit, reflektiert und kritisch mit KI-basierten Instrumenten umzugehen und mit diesen vertraut zu sein, eine wichtige Kompetenz, die unsere Studierenden für ihre spätere berufliche Tätigkeit entwickeln sollten. Hierzu gehören neben den fachlichen auch ethische Aspekte sowie die Entwicklung einer eigenen Haltung. Wir möchten alle Lehrenden ermutigen, diese gemeinsam mit Studierenden zu entwickeln, um eine verantwortungsvolle wissenschaftliche Arbeitsweise mit KI zu etablieren.
Dies bedeutet auch, KI-basierten Instrumenten offen zu begegnen und mit diesen zu experimentieren. Der Einsatz der KI-Tools erfolgt dabei sowohl auf der Seite der Lehrenden als auch für die Studierenden freiwillig. Studierende dürfen nicht verpflichtet werden, mit eigenen oder fremden personenbezogenen Echtdaten an KI-Tools zu arbeiten. Demonstrationen oder Eingaben von fiktiven Daten sind zulässig.
Trotz dieser Empfehlung bleibt die grundgesetzlich geschützte Freiheit der Lehre selbstverständlich unberührt. Es obliegt den Lehrenden, die Verwendung von KI-basierten Instrumenten aktiv zu fördern, einzuschränken oder zu verbieten. Unabhängig davon, wie sich die Lehrenden in dieser Frage positionieren, empfehlen wir, die Studierenden regelmäßig auf die Grundprinzipien guter wissenschaftlicher Praxis hinzuweisen. Hierzu gehört auch, die möglichen Konsequenzen für die Bewertung von Prüfungsleistungen bei der Nutzung von KI-basierten Instrumenten transparent zu kommunizieren.
Auswirkungen auf die Bewertung von Prüfungsleistungen
Trotz der Empfehlung für einen offenen Umgang mit KI-basierten Instrumenten gilt: Wenn Studierende eine Prüfungsleistung einreichen, die von KI-basierten Instrumenten generiert wurde, ohne dies entsprechend kenntlich zu machen, verstößt dieses Vorgehen gegen das Verbot, unzulässige Hilfsmittel zu verwenden. Die betreffende Prüfungsleistung ist daher i.d.R. mit „nicht ausreichend“ (5,0) zu bewerten. Unsere aktuell gültige Formulierung in den Prüfungsordnungen (§ 12 Abs. 4 Muster-SPO) und der Eigenständigkeitserklärung bei Abschlussarbeiten lässt hier keinen Spielraum zu. Die unmarkierte Übernahme von Texten oder Textbausteinen (KI-generiert oder nicht) ist als Verstoß bzw. Täuschungsversuch zu werten (vgl. auch Salden/Leschke, 2023: 32).
Neben KI-basierten Werkzeugen, die vollständige Produkte (Texte, Codes, Bilder etc.) generieren, sind verschiedene Programme verfügbar, die eigene Produkte lediglich überarbeiten und verändern, beispielsweise durch das Paraphrasieren von Texten. Ob dies bei der Anfertigung von studentischen Arbeiten erlaubt sein soll, entscheiden Lehrende selbst. Hierbei sollte abgewogen werden, inwiefern neben reinem Faktenwissen auch z.B. Form, Ausdruck oder Argumentationslinien zum Kompetenzerwerb der Studierenden beitragen und dafür in der Leistungsbewertung berücksichtigt werden müssen.
Auch wenn Lehrende die Verwendung von KI-basierten Instrumenten im Rahmen der zu erbringenden Prüfungsleistung zulassen, müssen die Studierenden auf deren Nutzung eindeutig hinweisen und diese dokumentieren (z.B. durch Screenshots, Listung der Prompts oder sonstiger getätigter Eingaben an das KI-Werkzeug). Aufgrund eines randomisierten Algorithmus können jedoch gleiche Anfragen zu (sehr) unterschiedlichen Ergebnissen führen, was die Überprüfung durch Dritte erschwert. Zudem ist es möglich, dass nichtexistierende Quellen ausgegeben werden. Im Sinne guter wissenschaftlicher Praxis müssen selbstverständlich auch diese Quellen durch die Studierenden überprüft werden.
Derzeit bestehen nur wenige Möglichkeiten, KI-generierte Texte zweifelsfrei als solche zu identifizieren. Damit sind auch die Möglichkeiten zum Ergreifen von Sanktionen begrenzt. Es ist daher wichtig, dass auch die Studierenden den Wert einer eigenständig erstellten wissenschaftlichen Arbeit verinnerlichen und zu einer eigenverantwortlichen Kennzeichnung verwendeter Hilfsmittel angehalten werden. In begründeten Zweifelsfällen können Studierende angehört und befragt werden, um zum Verdacht einer ungekennzeichneten Nutzung von KI-Tools Stellung zu nehmen.
Empfehlungen
Gimpel et al. (2023, PDF) geben verschiedene Empfehlungen für den Umgang mit Prüfungen. Auf Basis einer kompakten Übersetzung der Hochschule Emden/Leer wurden diese Empfehlungen von der HTWK-internen AG KI ergänzt und gemäß der hochschulweiten Diskussion weiterentwickelt. Inwieweit die Umsetzung dieser Empfehlungen im konkreten Einzelfall sinnvoll oder möglich ist, obliegt dem einzelnen Lehrenden
1. Überarbeiten Sie Ihre Prüfungsformate
Sogenannte „Closed-Book-Prüfungen“, bei denen die Studierenden von Hand schreiben (als Klausur oder am Computer in einer kontrollierten Umgebung ohne Internetzugang), könnten in Zukunft die einfachste Möglichkeit sein, das Wissen der Studierenden zu überprüfen. Bei der Nutzung dieser Prüfungsformate ist aber besonders darauf zu achten, nicht nur Faktenwissen abzufragen, sondern auch höhere Kompetenzniveaus (verstehen, anwenden, analysieren, beurteilen, kreieren) mit den Aufgabenstellungen zu adressieren.
Generell kann man davon ausgehen, dass kreative, handlungsorientierte und kommunikative Prüfungsformen von Täuschungsversuchen mithilfe von KI-Programmen weniger betroffen sind. Textgenerierende Programme wie ChatGPT werden auf bestimmte Muster und vorhandene Texte trainiert. Dies begrenzt die Fähigkeit, neue Inhalte oder Ideen zu produzieren. Mit Prüfungsformaten, die ein Denken über traditionelle Grenzen hinaus erfordern, können solche Programme oft noch nicht umgehen.Überprüfen Sie im besten Fall vorher selbst, ob Ihre Aufgabenstellung von einem KI-Programm gelöst werden kann. Entwickeln Sie Prüfungsformate gemäß den Lernzielen Ihrer Lehre, die die Fähigkeiten der Studierenden zu kreativem und kritischem Denken fördern. Hierzu gehören u.a. kooperative Gruppenprojekte, bei denen die Studierenden in Teams zusammenarbeiten, um eine bestimmte Aufgabe bzw. ein Projekt abzuarbeiten, oder die Aufforderung, den Lernprozess schriftlich oder mündlich zu reflektieren. Hierbei sind immer die gültigen Rahmenbedingungen der Prüfungsordnungen einzuhalten.
Eine weitere Möglichkeit ist die Ergänzung schriftlicher Prüfungen durch weitere Prüfungselemente. So können durch die Prüfungsordnung Prüfungsformen vorgesehen werden, die eine (längere) schriftliche Ausarbeitung, wie z.B. eine Seminararbeit, um eine mündliche Prüfungsform ergänzen, im Sinne einer kurzen Disputation der wesentlichen Ergebnisse. Im Gegenzug könnte die Länge der schriftlichen Ausarbeitung reduziert werden, um den Mehraufwand auszugleichen. Generell können bestehende Prüfungsformen erweitert und angepasst werden, um Leistungsüberprüfungen weiterhin kompetenzorientiert und rechtssicher zu gewährleisten.
Die Hochschuldidaktik-Mitarbeiterinnen der HTWK Leipzig sowie das Hochschuldidaktische Zentrum Sachsen (HDS) bieten Informationen zu kompetenzorientierten Prüfungsszenarien und beraten gern bei der bedarfsgerechten Implementierung in die Lehre.
2. Fordern Sie Selbständigkeitserklärungen ein
Erklärungen der Studierenden, ob spezielle Tools verwendet wurden oder nicht, erhöhen die Verbindlichkeit und verdeutlichen die Konsequenzen bei Fehlverhalten. Bei Abschlussarbeiten ist dieses Vorgehen durch die Abgabe von Selbständigkeitserklärungen seit langem üblich und durch die SPOs vorgeschrieben. Diese Vorgehensweise ist auch für Hausarbeiten und andere örtlich ungebundene Arbeiten zulässig. Aus Transparenzgründen sollte jedoch sukzessive in die Prüfungsordnungen eine ausdrückliche Regelung eingefügt werden, nach der Selbständigkeitserklärungen auch für Hausarbeiten und andere örtlich ungebundene Arbeiten eingefordert werden können. Darüber hinaus können die Studierenden aufgefordert werden, eine Liste der verwendeten Eingabeaufforderungen bereitzustellen bzw. eine vollständige Abschrift der Interaktion mit einem KI-Programm zur Verfügung zu stellen, die ihre Arbeit beeinflusst haben.
3. Formulieren Sie klare Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI
Die Einführung transparenter Regeln für die Nutzung von KI in Ihren ehrveranstaltungen oder Prüfungssituationen ist ein entscheidender Schritt zur Förderung eines Lernumfelds, in dem Studierende verantwortlich mit KI-basierten Instrumenten umgehen können.
Formulieren Sie mit der Aufgabenstellung, ob der Einsatz von KI-Tools erlaubt ist oder nicht. Sofern keine ausdrückliche Regelung getroffen wird, muss Folgendes zu Gunsten des Prüflings angenommen werden: In Aufsichtsarbeiten/ Präsenzprüfungen ist der Einsatz von KI-Tools grundsätzlich verboten, wenn er nicht ausdrücklich erlaubt ist. Im Gegensatz dazu gilt für ortsungebundene Arbeiten, dass der Einsatz erlaubt ist, sofern kein Verbot ausgesprochen wurde oder die Regeln für die Nutzung von KI-Tools spezifiziert wurden. Studierende können in der Regel im Rahmen von Studien- und Prüfungsleistungen nicht dazu verpflichtet werden, selbst Eingaben an KI-Tools zu tätigen, diese selbst zu nutzen oder eigene Leistungen oder Daten in diesen Tools verarbeiten zu lassen.
Sofern der Einsatz von KI-Tools erlaubt wird, empfiehlt es sich, in der Aufgabenstellung auf folgende Aspekte hinzuweisen bzw. diese zu regeln:
- Die Verwendung von KI muss transparent gemacht werden, um die Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten (Vorgaben zu Quelle, Abrufdatum, Eingaben)
- Die KI sollte nur als Hilfsmittel zur Unterstützung eingesetzt werden. Hierzu gehört insbesondere ihr Einsatz zur Verbesserung der Lesbarkeit und der Sprache. Sie sollte vor allem nicht verwendet werden, um Arbeitshypothesen aufzustellen, ganze Abschnitte zu schreiben, Daten zu interpretieren oder Schlussfolgerungen zu ziehen. Alle Aufgaben, die unter intellektuelle Beiträge fallen, sollten von den Studierenden selbst durchgeführt werden.5 Bei einem darüber hinausgehenden Einsatz von KITools (z.B. zur Erzeugung von Skripten, Programmcode, etc.) sollten die Ergebnisse der KI-Ausgaben in der Arbeit diskutiert und bewertet werden.
- Der Einsatz von KI-Tools kann datenschutzrechtlichen Bedenken unterliegen. Der Einsatz durch den Verfasser der Arbeit erfolgt freiwillig und auf eigenes Risiko.
4. Intensivieren Sie – wenn möglich – den Betreuungsprozess
Lehrende sollten nicht nur die abgegebene Prüfungsleistung berücksichtigen, sondern durch eine engere Betreuung das erworbene Fachwissen während der Aufgabenbearbeitung einschätzen können. Gimpel et al. (2023) kommen zu dem Ergebnis, dass es bestenfalls keine Bearbeitung von Prüfungsaufgaben ohne Supervision geben sollte bzw. regelmäßige Informationen zu den einzelnen Arbeitsschritten während des Prozesses verlangt werden sollten. Bei empirischen Arbeiten sollte auf die Qualität des Studiendesigns und die sorgfältige Durchführung der Feldforschung geachtet werden.
5. Überdenken Sie Ihre Bewertungskriterien
Struktur und Schreibstil von Texten, die durch Sprachmodelle generiert oder verändert werden, sind tendenziell gut. Für die Bewertung einer Prüfungsaufgabe sind diese Aspekte daher – wie häufig auch unabhängig von einem möglichen KI-Einsatz – nicht ausreichend. Stattdessen sollten die Qualität und Individualität der Forschungsfrage, die Passung zum gestellten Thema, die Qualität des theoretischen Hintergrunds (einschließlich angemessener Quellen), die verwendeten Theorien und Methoden, die eigenen (theoretischen, empirischen oder technischen) Beiträge, die über die reine Zusammenfassung von Literatur hinausgehen, sowie die Reflexion der Ergebnisse stärker gewichtet werden. In diesem Zusammenhang bietet es sich ggf. auch an, dass Sie die vorgesehenen Aufgaben bzw. Themen einmal selbst mithilfe von KI-Tools erproben und die Ergebnisse einer kritischen Bewertung unterziehen.
6. Fördern Sie einen kompetenten Umgang der Studierenden mit KI-Tools
Die Verwendung von KI-Tools kann dazu beitragen, die akademischen Leistungen der Studierenden zu verbessern. Da nicht alle Studierenden über die gleichen Sprachfähigkeiten verfügen, kann die Nutzung von z. B. KI-basierter Paraphrasierung die Gerechtigkeit im Bildungsumfeld fördern. Darüber hinaus kann ihre Nutzung in fachlicher Hinsicht besonders in einigen Disziplinen (z. B. im Kontext der Implementierung von Analysen, Skripten, Programmcode, etc.) zu einem besonders effektiven und individualisierten Lernprozess beitragen, bspw. durch Möglichkeiten zur schnellen prototypischen Umsetzung. Allerdings müssen die Studierenden für die Anwendung geschult und beispielsweise im Hinblick auf die Replikation möglicher Vorurteile durch KI oder die Verletzung geistigen Eigentums sensibilisiert werden. Im Sinne der Befähigung für zukünftige Herausforderungen in Gesellschaft und Arbeitswelt sollten Studierende mindestens ein einfaches Verständnis davon entwickeln, wie KI-Anwendungen grundlegend funktionieren und welche sozialen, ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen diese mit sich bringen. In geeigneten Fächern im Studium (insbesondere in technischen Studiengängen) sollten weitergehende Kompetenzen vermittelt werden, die z. B. folgende Aspekte umfassen können: Technikfolgenabschätzung durch den Einsatz von KITools, Datensicherheit/ Datenschutz und Ethik, Funktionsweisen und Trainingsmechanismen bis hin zur eigenen (Weiter-)Entwicklung allgemeiner und fachspezifischer KI-Tools.
7. Beobachten Sie die Entwicklungen zur Integration von KI-Tools in allgemeine oder fachspezifische Standardsoftware
Auch bei klassischer Software wie Schreib-, Bildbearbeitungs- und Präsentationsprogrammen sowie in fachspezifischen Softwarepaketen ist ein zunehmender Trend zu KI-Assistenzen zu bemerken beziehungsweise ist eine Integration von KI-Tools angekündigt. Das bedeutet, dass künftig die Identifikation von KI-unterstützten Anteilen in studentischen Arbeiten noch schwieriger werden wird. Halten Sie sich diesbezüglich auf dem Laufenden, probieren Sie aus, was in allgemeiner oder spezifischer Software Ihres Fachgebiets in den neuesten Versionen möglich ist, und passen Sie Prüfungsformate, Lehrformate aber auch Aufgabenstellungen im Sinne der obigen Empfehlungen an (z. B. durch Reflexionsaufgaben und Methodendiskussion unter Einbeziehung der genutzten Assistenzen).